Anfang des Jahres erfüllte ich mir einen Traum und kaufte nach langer Suche ein VW Polo Coupé G40 86 C. Es war kurz nach der Jahrtausendwende mein erstes Auto. Ich transportierte mit ihm meine Technics, Partyboxen, Plattenkisten und Schuhkartons, fuhr aufs Splash und auf Konzerte quer durch Deutschland. Sachen, die man damals mit seinem ersten Auto eben so machte.
Wie es der Zufall wollte fiel das Saisonkennzeichen dieses Jahr mit wenigen Tagen Versatz auf den Release des neuen Nico-Suave-Albums. Aus irgendeinem Grund stellte sich mir gar nicht erst die Frage, welche Musik ich zuerst im frisch zugelassenen Polo hören würde. Ich zerrte das alte Tapedeck aus dem Keller, kramte irgendwo eine Kassette hervor und eine Stunde später leuchtete das grüne Display im VW-Gamma III-Radio des Polos. Das Schnurren des Tapes leutete meine kleine Zeitreise ein. Unvergesslich.
Nico Suave gehörte zu der Handvoll von Künstlern, die ich vergötterte, deren Texte ich auswendig lernte und kein Konzert in erreichbarer Nähe ohne mich stattfand. Sein neues Album fühlt sich seit Lan- gem mal wieder nach dem deutschen Hip-Hop an, der vor einigen Jahren unsere Nummernschilder zum Scheppern brachte. Ihr könnt euch also ungefähr vorstellen, was es uns bedeutet, den Briefträger von damals zum Plausch auf der Türschwelle zu bitten.
Hey Nico, wie geht’s dir? Im Frühjahr dieses Jahres kam nach langer Pause dein Album „Unvergesslich“ raus. Wie fühlt sich die „Berufstätigkeit Rapper“ im Jahr 2015 an?
Moin Moin! Es fühlt sich tatsächlich verdammt gut an und ich bin echt happy, dass die Platte draußen ist und so gutes Feedback kassiert! Man kann sich vorstellen, dass so eine Albumproduktion viele emotionale Berg- und Talfahrten hat, von „Altaaaa, wie derbe“ bis hin zu „Fuck, was mach ich hier eigentlich“ war alles dabei. Kurz vor Release kommt dann noch mal ein Moment, wo kurz Panik aufkommt, weil man kurz vor Veröffentlichung steht und es keinen Weg zurück gibt, aber wie schon gesagt, bin ich sehr fine mit der Platte und froh, dass ihr alle sie hören könnt.
Persönlich, melancholisch, fröhlich – es gibt viele Adjektive, die auf dein neues Album zutreffen. Wie würdest du es selbst beschreiben?
Ich geb dir erst mal recht (grinst). So ungefähr würd ich es auch beschreiben, wobei sich fröhlich strange anhört… hahaha… Es ist auf jeden Fall urban, holzig, ehrlich, persönlich, eckig, wobei es noch eckiger hätte sein können, organisch usw… Ich könnte eine Menge aufzählen, da es wirklich eine sehr abwechslungsreiche Scheibe geworden ist.
In der Single „Unvergesslich“ blickst du auf die goldene Zeit des deutschen Hip-Hops zurück. Was machte die Einzigartigkeit dieser Jahre aus? Was hat sich verändert? Oder sind wir einfach nur älter geworden?
Wir sind definitiv älter geworden, dass merk ich in allen Bereichen …;) Es war einfach eine frische und spannende Zeit, dass es Rap und diese Hip-Hop-Kultur in dem Sinne und in der Größe noch nicht gab. Alles Neue ist erst mal interessant. Dazu kam natürlich,
dass ich mittendrin steckte in dieser Bewegung bzw. meinen Teil dazu beigesteuert hab, diese Szene am Laufen zu halten. Das erste Mal bei MTV, das erste Mal auf dem Splash etc. Es war eine Zeit, die mich auf jeden Fall geflasht hat, da ich aus einer kleinen Stadt in der Nähe von Dortmund stamm, wo die Möglichkeiten, was aus seinem Leben zu machen, das Fun macht, sehr gering waren. Plötzlich hab ich mein Hobby zum Beruf gemacht, ging auf Tour, hab Tracks releast und konnte mit großen Rap-Artists Tracks machen. Wahnsinn!! Es ging nicht primär um Plattenverkäufe oder ums Cashmachen, sondern ums Dabeisein. Das ist mir gelungen und ich bin stolz drauf, genauso aber auch auf die Entwicklung von heute bzw. den Stellenwert, den Rap mittlerweile hat. Lange Zeit waren Hip-Hop oder Rap tot für die Medien, dabei haben wir nur im Stillen die Weltherrschaft geplant. Jetzt simmer da ;)
Nima und Samy Deluxe sind keine so große Überraschung als Gäste auf deinem neuen Album, Xavier Naidoo schon eher. Wie seid ihr für „Gebor’n“ und „Danke“ zusammengekommen
Ich hatte Xavier in Hamburg bei Tim Mälzer kennengelernt und nach Jahren wieder getroffen. Wir hatten mal den gleichen Anwalt und sind uns dort über’n Weg gelaufen … hehe… In Tim’s Restaurant „Bullerei“ in Hamburg finden regelmäßig „Secret Gigs“ statt, wo viele Größen der Musikbraunche schon die Bühne rockten von Lindenberg, Xavier Naidoo, Gentleman, Nico Suave (lacht) usw.! An diesem Abend war die After-Show-Party von Xavier und ich hab den Support gemacht. Er kam während ich „Unvergesslich“ zockte und zog sich den Rest der Show rein, kam danach zu mir und meinte: „Wenn Nima mal ne Pause braucht“ – sie war zu dem Zeitpunkt schon schwanger – „dann ruf mich an und wir machen was zusammen.“ Ich hatte „Danke“ und „Gebor’n“ schon in der Pipeline und ließ ihm ein Demo von „Danke“ zukommen. Auf einer seiner Autofahrten hat er sich den Kram angehört und gefeiert, sodass er ein paar Wochen später bei uns im Studio vorbeikam. An einem Abend war „Danke“ im Kasten und vier Tage später kam er noch mal, um „Gebor’n“ zu singen. Fertig war der Lachs!!!
Ich persönlich freue mich immer wieder über gut produzierte Alben und außergewöhnliche Aufnahmequalität. „Unvergesslich“ hat mich in dieser Hinsicht seit langer Zeit mal wieder so richtig umgehauen. Wie habt ihr diesen Sound hinbekommen?
Das wird nicht verraten (lacht). Im Ernst: Das hab ich Alex Sprave zu verdanken, mit dem ich zusammen das Album gemacht hab. Er ist musikalisch ein Genie und hat sehr viel Erfahrung, wenn es um Live-Sound geht und miesestes Equipment, wenn es am Ende zum Mix kommt. Viel Geduld, viel Rumfummelei und am Ende ein Haufen verdammt guter Musiker, die das Album so krass bereichert haben. Ich könnte stundenlang schwärmen …
Ich habe noch irgendwie im Hinterkopf, dass du und Dendemann (und Volker Racho) aus der gleichen Stadt kommt? Ihr seid damals beide recht früh von Menden nach Hamburg gezogen. Was verbindet dich außer Dende heute noch mit deiner Heimatstadt?
In erster Linie lebt meine Mum noch dort sowie mein Bruder mit seiner Familie! Ein paar alte Freunde, zu denen ich hin und wieder Kontakt habe, aber ansonsten nur die Erinnerungen an die alte Zeit. Dort hat alles angefangen und in Menden machte ich meine ersten Schritte, was ich nie vergessen werde!! Des- halb bleib ich der Stadt auch für immer verbunden.
Mal angenommen ihr würdet nicht auf der Bühne stehen, würdest du dir heute mit Dende ein Zelt auf dem Splash teilen?
(Lacht) Mmmmh … Nein! Oder doch? Bestimmt, wenn es nicht anders ginge und ich aus welchen Gründen auch immer das Gelände nicht verlassen könnte. Tatsächlich hab ich noch nie auf dem Splash gezeltet, ich war immer, im Hotel, da ich auch immer wenn ich dort war, einen Gig gespielt hab. Aber klar, wenn nix mehr geht, würd ich auch ’ne Nacht dort zelten.
Wir haben jetzt lange über deine Kernkompetenz – die Musik – gesprochen. Ich weiß, dass du sneakertechnisch nicht ganz unbewandert bist. Was findet man aktuell in deinem Schuhschrank?
Aktuell findet man bei mir den adidas Veritas in verschiedene Farben. Den Schuh feier ich aktuell am meisten ab. Ansonsten findest du ein paar Nike Air Force I, Nike SB Dunk High „Camo“, adidas ZX Flux in verschiedenen Farben usw. Ich hab auch zwei Schuhschränke, der eine mit Schuhen, die ich aktuell rock, und einen großen mit Schuhen, die ich selten oder gar nicht mehr trag! Ich bin auch jemand, der seine Schuhe wirklich trägt, bis sie im Arsch sind! Keinen von denen, die sich ihre ins Regal stellen, da stehen bei mir Platten!
„Sneaker sind das fünfte Element des Hip-Hops“ – würdest Du diesen Satz unterschreiben?
Nope!! Das fünfte Element ist Beatboxing! Aber das sechste könnte hinkommen!!! Sneaker ist oder sind definitiv ein sehr cooles, aber auch teures Hobby! Wenn ich jemanden treff, dann geht meistens der zweite, manchmal auch der erste Blick direkt auf die Schuhe. Wenn jemand schlimme anhat, dann sprech ich gar nicht mit ihm, oder schau ihn nicht mal an … Joke!!!! Aber es ist schon sehr wichtig für mich!!!
Nico, vielen Dank für Dein Interview. Es war uns eine große Ehre!
Vielen Dank und jetzt rück mal ein paar Treter raus!! (Lacht.) Piezzzz!!